Schopenhauer und Buddhismus
Schopenhauer-Buddhismus : Enso

Loslassen

- eine Geschichte aus dem Zen

Diese Zen-Erzählung hat in der Sammlung, aus der sie entnommen wurde, die Überschrift “Schmutzige Straße”. Es geht hier aber nicht um die fehlende Sauberkeit eines Weges, sondern um etwas, was nicht nur im Buddhismus, sondern in allen spirituellen Lehren, von größter Bedeutung ist - das Loslassen. Worauf es dabei ankommt, vermittelt die folgende Geschichte in einer für Zen typischen Weise, nämlich mit einem kleinen Lächeln:

Tanzan und Ekido wanderten einmal eine schmutzige Straße entlang. Zudem fiel auch noch heftiger Regen.

Als sie an eine Wegbiegung kamen, trafen sie ein hübsches Mädchen in einem Seidenkimono, welches die Kreuzung überqueren wollte, aber nicht konnte. “Komm her, Mädchen”, sagte Tanzan sogleich. Er nahm sie auf die Arme und trug sie über den Morast der Straße.

Ekido sprach kein Wort, bis sie des Nachts einen Tempel erreichten, in dem sie Rast machten. Da konnte er nicht länger an sich halten. “Wir Mönche dürfen Frauen nicht in die Nähe kommen”, sagte er zu Tanzan, “vor allem nicht den jungen und hübschen. Es ist gefährlich. Warum tatest du das? ”  “Ich ließ das Mädchen dort stehen”, antwortete Tanzan, “trägst du sie noch immer? ”

(Aus: Paul Reps, Ohne Worte - ohne Schweigen,
             4. Aufl. 1982, S. 35)

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