Schopenhauer-Buddhismus : Enso
Schopenhauer und  Buddhismus

 Zwischen Mystik und Magie:
die Upanischaden

Jeder Vergleich der altindischen Upanischaden mit der Lehre des Buddha sowie der Philosophie Schopenhauers muß berücksichtigen, daß die Upanischaden im Laufe vieler Jahrhunderte, wahrscheinlich sogar von Jahrtausenden entstanden sind. Sie spiegeln eine spirituelle Entwicklung wider, die von magischen Ritualen und Beschwörungsformeln (den “Brahmanas”) bis zu einer zutiefst verinnerlichten Erlösungsmystik reicht. Dementsprechend vielfältig ist ihr Inhalt.

Die Upanischaden sind weder lehrbuchhaft aufbereitet noch irgendwie folgerichtig gegliedert. Darauf kam es den jeweiligen Verfassern auch nicht an, denn der Inhalt der Upanischaden sollte ohnehin nur wenigen auserwählten Eingeweihten zugänglich sein. Hierauf  deutet bereits das Wort “Upanischad” hin: Wie Helmuth v. Glasenapp (in: “Die Literaturen Indiens”, S. 79) erklärt, bedeutet dieses Wort “sich zu (jemandem  oder etwas) hinsetzen”, womit wohl ursprünglich der Schüler gemeint war, der sich zu Füßen seines Meisters gesetzt hatte. Es erhielt dadurch den Sinn von “Geheimlehre”. Auch wenn heute fast in jedem Kaufhaus Texte der Upanischaden erhältlich sind, bleiben sie esoterisch und damit für den Unvorbereiteten “ein Buch mit sieben Siegeln”.

Von besonderer Bedeutung war für die Upanischaden die Zeit des Buddha. Denn etwa in jener Zeit änderte sich ihr Charakter: Während  bisher in den Upanischaden weitgehend Magie und Lebensbejahung vorherrschten, setzte sich nun immer stärker die Erkennntnis durch, daß das Leben von Leid geprägt wird und dieses Leid nur auf dem Wege mystischer Weltüberwindung letztlich aufgehoben werden kann. So wandelten sich die Upanischaden zu einer von Schopenhauer höchst geschätzten Erlösungsmystik.

Einen Höhepunkt erreichte diese spirituellen Entwicklung durch einen der bedeutendsten Philosophen Indiens: Shankara. Er lebte etwa um 800. Seine Erkenntnisse faßte er so zusammen:

“ In einer Strophe sei verkündet,
             was sich in tausend Bücher findet:
             Nur Gott ist wirklich, die Welt ist Schein,
             Die Seele ist nichts als Gott allein.” 

Abgesehen von dieser theistischen Formulierung konnte sich Schopenhauer durch Shankara bestätigt sehen, denn beide gehen davon aus, daß die von uns wahrgenommene Vielheit nur Schein (maya) ist, allem Sein aber letztlich eine Einheit zugrunde liegt. Schopenhauer hat diese Einheit jedoch nicht durch die Bezeichnung “Gott” personifiziert. Gerade hieran zeigt sich, wie nahe Schopenhauer dem Buddhismus steht, denn die Mystik des Mahayana- Buddhismus ist - wie die Lehre Shankaras -  eine monistische Weltanschauung, das heißt, sie sieht das EINE jenseits aller Vielheit, wobei sie aber - wie Schopenhauer - jenes Unbestimmbare unbestimmt sein läßt.
                                                                                                             H.B.            

     > Schopenhauer und die “Upanischaden”

    Ausführlicher zu den Upanischaden

    Upanischaden als Vorläufer des Buddhismus